Von sich auf andere schliessen
Von sich auf andere schliessen
Hören Sie sich den Blog-Beitrag als Podcast in Walliserdeutsch an:
Jeder Mensch ist anders und das ist uns normalerweise auch bewusst. Trotzdem gehen wir in manchen Situationen davon aus, dass andere genauso reagieren oder aus den gleichen Gründen handeln wie wir es tun würden. Diese Denkweise haben wir oft ganz unbewusst. Damit unterstellen wir anderen etwas, was mit ihnen selbst vielleicht gar nichts zu tun hat. Wir ordnen ein Verhalten ein und bewerten es gemäss unserer Wahrnehmung, obwohl die andere Person vielleicht ganz andere Beweggründe hat auf eine bestimme Weise zu reagieren. Wenn wir jemandem etwas Negatives unterstellen, ohne triftigen Grund, sagt das also manchmal über uns selbst viel mehr aus als über unser Gegenüber.
Wenn wir anderen also sozusagen unsere Gefühle übertragen, machen wir sie dafür verantwortlich und stehlen uns selbst aus dieser Verantwortung heraus. Wie ihr euch denken könnt, ist das für die andere Person nicht ganz einfach, denn es entsteht das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben, ohne zu wissen was… Damit will ich aufzeigen, dass wir im Alltag oft andere angreifen, ohne dass wir es bemerken. Wir reagieren immer auf unser Gegenüber und machen uns eigene Gedanken und Interpretationen. So passiert es, dass wir negative Eigenschaften ganz einfach anderen zuschreiben, anstatt uns selbst. Vielleicht habt ihr auch schon die Erfahrung gemacht, dass viele Dinge, die wir an unserem Umfeld, an unseren Kindern oder unseren Eltern als störend empfinden, oft Züge sind, die wir bei uns selbst als störend betrachten.
In der Psychologie wird bei diesem Phänomen von «Projektion» gesprochen. Wir werfen anderen etwas vor, was uns eigentlich an uns selber stört. Wie erwähnt, können dies Dinge sein, die wir von uns nicht bewusst wahrnehmen. Meist sind dies eigene Schwächen, Ängste oder Probleme. Wenn zum Beispiel jemand es selbst nicht so strikt mit der Wahrheit nimmt, kann es also sein, dass er oder sie anderen vorwirft unehrlich zu sein. Oder jemand reagiert wütend auf Leute die selbstbewusst auftreten und stempelt sie als arrogant ab. Dies vielleicht aus dem Grund, weil man sich selbst wünschen würde, mehr Selbstvertrauen zu haben.
Ein solches Verhalten zeigen wir besonders dann, wenn wir gerade eine schlechte Erfahrung gemacht haben. Wurden wir beispielsweise gerade enttäuscht, sehen wir in unserem Umfeld mehr Leute die erfolgreich und glücklich sind als dann, wenn wir zufrieden und ausgeglichen sind.
Wir sollten also vermehrt darauf achten, ob und wann wir solche Projektionen machen. Sie verraten uns viel über unsere eigenen Gefühle. Wenn wir uns immer wieder über die gleichen Verhaltensweisen oder über bestimmte Personen aufregen, könnte das etwas sein, was uns an uns selbst aufregt. Dieses Wissen kann uns helfen, uns selbst besser zu verstehen. Es kann uns helfen, nicht ungerecht auf andere zu reagieren.
Übernehmen wir die Verantwortung für uns selbst, so können wir unsere Gedanken und unser Verhalten immer wieder anpassen, ausbessern, weiterentwickeln und wir können so mit uns und allen anderen vermehrt im Reinen sein.
Links zum Thema:
- Die Projektion als Schlüssel zum Unbewussten
- Projizieren: Wie wir auf andere übertragen – und wie wir damit aufhören
- Projektion als Instrumen deines Selbstschutzes
- Was Projektion bedeutet und wie sie das Miteinander erschweren kann